Matthias Fornoff: #MeToo wirkt, wenn auch langsam

Matthias Fornoff vom Politbarometer verliert seinen Führungsjob, weil er Kolleginnen belästigt haben soll. Früher wären solche Typen davongekommen. Der Fall zeigt: Die Zeiten sind vorbei. 

Millionen Menschen kennen ihn: Matthias Fornoff vom Politbarometer. Mit sonorer Stimme erklärt er dem Wahlvolk, welche Partei in der Gunst gerade ganz oben steht oder welcher der Absturz droht. Immer geschniegelt im Anzug und mit Krawatte. Nun ist der Politik-Journalist degradiert worden. Drei Frauen haben sich offenbar über ihn beschwert. Er soll sie belästigt haben. Sein Verhalten sei „zu wenig für das Strafrecht, aber zu viel für das ZDF“, meldete die Bildzeitung. Man ahnt, dass es vermutlich um dumme, unangemessene Anmache gehen könnte. Fornoffs Verhalten reichte dem ZDF jedenfalls, um ihm die Leitung der Redaktion für Politik und Zeitgeschehen wegzunehmen. „Er wird künftig eine neue Aufgabe in der ZDF-Chefredaktion übernehmen, ohne Führungsverantwortung“, schreibt der öffentlich-rechtliche Sender. Er selbst soll das unangemessene Verhalten eingeräumt und die Entscheidung akzeptiert haben. Immerhin. 

Sieben Jahre ist es her, dass ein Aufschrei um die Welt ging: #MeToo. Frauen hatten dem berühmten Filmproduzenten Harvey Weinstein vorgeworfen, sie sexuell belästigt, genötigt oder gar vergewaltigt zu haben. Der Fall brachte viele Frauen zum Reden. Weinstein wurde 2020 verurteilt. Inzwischen hat er gegen das Urteil erfolgreich Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hob das Urteil wegen eines Verfahrensfehlers auf. Das ist kein Skandal, wie einige Medien schrieben, das ist Rechtsstaat. Der deutsche Filmproduzent Dieter Wedel, den die Staatsanwaltschaft 2021 München wegen Vergewaltigung einer Schauspielerin angeklagt hatte, starb, bevor ihm der Prozess gemacht werden konnte. Es mag so scheinen, dass sich nichts ändert. Das täuscht. 

ZDF-Journalist Fornoff 08.50

#MeToo wirkt, wenn auch langsam. Es geschieht zu wenig, aber es ändert sich was. 

Immer mehr Fälle in Kultur- und Medienbranche 

Früher wären Typen wie Fornoff durchgekommen. Noch vor zehn Jahren hätten die Frauen wahrscheinlich die Klappe gehalten. Oder ihnen wäre nicht geglaubt worden. Promistatus oder vermeintliche Wichtigkeit hätten solche Männer geschützt. Diese Zeiten sind vorbei. Kürzlich ist der Grüne Europaabgeordnete Malte Gallée zurückgetreten. Er soll, wie der stern enthüllte, Mitarbeiterinnen belästigt haben. 

STERN PAID MeToo Heft19:59

WDR strengte Untersuchung an

Auch in der Medien- und Kulturbranche werden immer mehr Fälle bekannt. Fornoff ist nicht der erste Medien-Mann, der Konsequenzen für sein Verhalten zu tragen hat. Bildchef Julian Reichelt musste gehen, nachdem bekannt geworden war, dass er seine Macht als Chefredakteur offenbar ausnutzte, um mit jungen Kolleginnen anzubandeln. Benjamin von Stuckrad-Barre inspirierte das zu dem sehr lesenswerten Schlüsselroman „Noch wach?“.  

2018, ein Jahr nach #MeToo, flog Fernsehfilmchef Gebhard Henke („Lola rennt“) beim WDR raus. Sechs Frauen, darunter die Moderatorin und Schriftstellerin Charlotte Roche, hatten ihm sexuelle Belästigung vorgeworfen. Henke bestritt die Vorwürfe, eine Klage, die er unter anderem gegen Roche angestrengt hatte, zog er zurück. Mit dem WDR einigte er sich gütlich und kehrte nicht zum Sender zurück. Der Sender, der sich den Vorwurf gefallen lassen musste, Vorwürfe dieser Art nicht ernst zu nehmen, beauftragte die frühere ÖTV-Vorsitzenden Monika Wulf-Mathies mit einer Untersuchung. Sie bescheinigte dem WDR „strukturelle Defizite“. Anlaufstellen, bei denen sexuelle Belästigung und Diskriminierung gemeldet werden können, wurden geschaffen. Auch in Print-Redaktionen tat sich was. Der Berliner Tagesspiegel schmiss 2021 einen Reporter raus, der Jahrzehnte für das Blatt gearbeitet hatte. Er soll über mehrere Jahre vor allem jüngere Kolleginnen belästigt und gestalkt haben. 

SexuelleÜbergriff18

Uni-Prof musste in den Knast

2019 hat der Bundesgerichtshof das Urteil gegen Siegfried Mauser, den ehemaligen Rektor der Münchener Musikhochschule, bestätigt. Das Landgericht München hatte Mauser 2018 wegen sexueller Nötigung zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Er hatte eine Sängerin, die sich bei ihm um eine Stelle beworben hatte, sexuell genötigt. „Mit Verlaub, Sie sind ein Grapscher“, hatte ihm schon in der ersten Instanz der Amtsrichter vorgehalten. Mauser hat seine Haftstrafe inzwischen abgesessen. 

Diese Fallsammlung, die nicht vollständig ist, zeigt vor allem eines: Solche Typen können sich nicht länger sicher sein. Frauen reden. Und werden gehört. Endlich.