Eigentlich sollen sie Bildungs- und Erziehungsarbeit leisten. Wegen der Geldsorgen von Familien müssen Einrichtungen der Wohlfahrtspflege aber immer häufiger in akuten Notlagen Feuerwehr spielen.
Wegen der deutlich gestiegenen finanziellen Sorgen von Familien und der immer häufiger prekären Lage von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen kommen die Einrichtungen der Wohlfahrtsverbände immer weniger zu ihrer eigentlichen pädagogischen Arbeit. „Die existenziellen Nöte (…) schlagen richtig in den Beratungen durch“, sagte die Vize-Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (AGFW), Sandra Berkling, am Donnerstag. Da gehe es dann etwa nicht mehr um Erziehungsberatung, sondern nur noch darum, „die Sorgen der Familien aufzufangen, die einfach nicht mehr wissen, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen“. Verschärfend komme hinzu, dass die Hamburger Verwaltung etwa für Sozialleistungsanträge viel zu lange brauche und oft kaum erreichbar sei.
Berkling untermauerte die Beobachtungen aus den Beratungsstellen in der Hansestadt mit Daten aus dem Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Demnach ist das Armutsrisiko von Kindern und Jugendlichen nach jüngsten Zahlen aus dem Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr von 21,0 auf 26,3 Prozent gestiegen. Noch schlimmer sehe es bei kinderreichen Familien aus. Bei ihnen habe sich das Risiko in Armut zu geraten von 28,2 auf 40,1 Prozent erhöht.
Dass die Lage von vielen Familien und jungen Menschen immer prekärer werde, zeige sich auch daran, dass Kinder und Jugendliche Einrichtungen mit ergänzendem Essensangebot etwa in Kinder- und Familienzentren viel stärker nutzten. Oftmals übersteige die Nachfrage inzwischen die Möglichkeiten der Einrichtungen, klagte die Arbeitsgemeinschaft.
Alle Einrichtungen spiegelten, dass das System überlastet werde und sie ihre eigentliche Arbeit nicht mehr machen könnten, sagte die Vorständin des Diakonischen Werkes Hamburg, Gabi Brasch. Sie bräuchten deshalb zusätzliche Ressourcen, um auf die Notlagen vernünftig eingehen zu können. „Wenn sie das abfedern können (…), dann haben wir in Hamburg schon viel getan.“ Gleichzeitig kritisierte sie, dass die geplante Kindergrundsicherung die Probleme nicht löse. „Das, was jetzt bundespolitisch geplant ist, sieht nicht so aus, als würde die Kindergrundsicherung tatsächlich ihren Namen auch verdienen“, monierte auch Berkling.
Sie sieht deshalb zunächst Hamburg in der Pflicht. Die Hansestadt müsse mehr tun und die Einrichtungen durch eine Aufstockung der Sach- und Personalkosten so stärken, dass diese die Familien wirklich unterstützen könnten. Brasch betonte, die Stadt müsse endlich anerkennen, „dass es existenzielle Not und Beratungsbedarf (…) in der Kinder- und Jugendhilfe gibt“.