Kriminalität: Betrug beim Deutschlandticket im Südwesten in großem Ausmaß

Auch in Baden-Württemberg berichten Verkehrsunternehmen von Betrügereien beim Deutschlandticket. Kriminelle nutzen falsche oder gestohlene Kontodaten. Können sich Betroffene und Verbünde wehren?

Verkehrsverbünde in Baden-Württemberg klagen wie andernorts in Deutschland über massiven Betrug beim vor einem Jahr eingeführten Deutschlandticket mit hohem Schaden. Bei der Masche geben Kriminelle bei Bestellungen falsche oder gestohlene Kontodaten an: Die Abbuchung schlägt dann entweder fehl oder belastet ein Konto, dessen Inhaber die Bestellung gar nicht ausgelöst hat. Die betroffenen Verbünde rufen dazu auf, die Kontoauszüge auf unerklärliche Abbuchungen eines Deutschlandtickets zu prüfen und das falsch abgebuchte Geld zurückzufordern. Sie selbst schützen sich vor den Kriminellen mit unterschiedlichen Maßnahmen.

So sah sich der Rhein-Main-Verkehrsverbund seit der Einführung des Deutschlandtickets regelmäßig mit Betrugsfällen beim SEPA-Lastschriftverfahren konfrontiert. Gegenüber 2023 hätten sich Zahlungsausfälle durch platzende Lastschriften aufgrund der gestohlenen oder gefälschten Bezahldaten verfünffacht. „Im Deutschlandticket-Verkauf verzeichnet der RMV derzeit Betrugsfälle in ungekanntem Ausmaß“, sagte RMV-Geschäftsführer Knut Ringat laut einer Mitteilung.

Nachdem die Zahl der geplatzten Lastschriftmandate zuvor im niedrigen Prozentbereich gelegen habe, seien im vergangenen Februar rund zwölf Prozent der Deutschlandtickets betroffen gewesen. „Der damit verbundene Schaden erreicht ein siebenstelliges Niveau.“ Der Verbund schaltete deshalb die Bezahlart Lastschrift in RMVgo für Neukundinnen und -kunden vorübergehend ab. Ein Kauf über den RMV sei weiterhin möglich: über die App RMVgo per Kreditkarte und per Lastschrift im RMV-TicketShop auf rmv.de sowie in den Vertriebsstellen. Mehr als die Hälfte aller Käufe finde über die App RMVgo statt.

Der RMV führt derzeit eine weitere Sicherheitsmaßnahme für SEPA-Lastschriften im digitalen Bezahlprozess ein, um diese Bezahlart noch im zweiten Quartal wieder in RMVgo anbieten zu können, wie ein Sprecher mitteilte.

Der Regio Verkehrsverbund Freiburg (RVF) teilte dem Verkehrsministerium in einer Landtagsanfrage der CDU-Fraktion mit, dass das Deutschlandticket aktuell nur als Chipkarte angeboten werde. Dies erschwere einen Missbrauch aufgrund der anzugebenden Lieferadresse deutlich. Die Mehrzahl der Verbünde meldete in der Drucksache laut dem Ministerium, dass seit dem Start des Deutschlandtickets keine Änderung eingetreten sei, beziehungsweise es sich nur um einzelne Fälle handle. Die meisten Verbünde gaben Werte unterhalb oder um 1000 Euro als bislang entstandenen Schaden an, wie aus der Landtagsanfrage hervorgeht.

Hiervon weicht deutlich der Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart (VVS) ab, der einen nicht näher konkretisierten mittleren sechsstelligen Eurobetrag angibt, sowie der Verkehrsverbund naldo, der von einem finanziellen Schaden von 48.000 Euro spricht. „Wir haben danach der Direktverkauf eingeschränkt“, sagte eine naldo-Sprecherin. Weitergehende Maßnahmen gegen den Betrug seien eingeleitet worden. Auch würden nun auffällige Mail-Adressen überprüft, um zu verhindern, dass mit diesen Mehrfachkäufe getätigt würden.

Laut einem VVS-Sprecher ist der Verbund seit Einführung des Deutschlandtickets mit Betrugsmaschen per Lastschriftverfahren betroffen. „Die Betrüger schließen mit gefälschten oder unrechtmäßig erlangten Bankdaten unter fremden Identitäten Abos ab. Über den Jahreswechsel 2023/2024 kam es dann zu einer vermehrten missbräuchlichen Nutzung des Abo-Services für das Deutschlandticket.“

Der VVS sei der größte Verkehrsverbund in Baden-Württemberg. Fast die Hälfte aller in Baden-Württemberg verkauften Deutschlandtickets seien im VVS abgeschlossen worden. „Daraus resultiert entsprechend die höhere Schadenssumme als bei anderen Verbünden im Land“, ließ der VVS-Sprecher wissen.

Der Schaden ist laut VVS in erster Linie bei den Verkehrsunternehmen entstanden, die im VVS die Abo-Verwaltung übernehmen, und nicht bei anderen Verbrauchern oder Fahrgästen. „Sprich, die Betrüger bekommen ein Abo, das sie aber nicht bezahlen und somit fehlen die Einnahmen in der Verbundkasse. Unsere Unternehmen haben darauf reagiert und verschärfte Prüfmechanismen sowie generelle Maßnahmen zur Betrugsprävention eingeführt. Seitdem sind die Betrugsfälle rückläufig.“

Der VVS rief Verbraucherinnen und Verbraucher auf, dennoch aufmerksam zu sein und sich, an eines der VVS-Abo-Center (https://www.vvs.de/deutschlandticket) zu wenden, wenn sie nicht autorisierte Abbuchungen bemerkten. „Natürlich sollten Betroffene den Vorfall dann auch ihrer Bank und der Polizei melden“, sagte ein VVS-Sprecher.

Laut dem Verkehrsministerium nutzen mehr als 1,5 Millionen Menschen im Südwesten das Deutschlandticket oder die vergünstige Form für junge Menschen. Die Zahl dürfte aber noch höhere liegen: Die Abonnenten, die das Ticket unter anderem direkt bei der Deutschen Bahn kaufen, sind in der Erhebung des Verkehrsministeriums nicht enthalten. Das Deutschlandticket für 49 Euro im Monat gibt es seit dem 1. Mai vergangenen Jahres.

Die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) haben jüngst vor einem Millionenschaden durch massenhaften Betrug bei Deutschlandtickets gewarnt. Kriminelle würden bei Bestellungen falsche oder gestohlene Kontodaten angeben. Die DVB sprachen von etwa 15 000 Rückbuchungen und einem wirtschaftlichen Schaden von 1,4 Millionen Euro.

RMV