Nicht wenige Kinder der ersten Influencer tragen ein Trauma davon, dass ihr Leben online stattfand. Jetzt wehren sich einige von ihnen. Als ihre Eltern Social Media für sich entdeckten, war über die Kehrseiten der Plattformen noch nicht so viel bekannt wie heute.
Die Frage, ob man seine Kinder auf Instagram und Co. zeigen sollte, sorgt nicht selten für hitzige Diskussionen. Während die einen vor den Gefahren warnen und ihre Kinder vor den Schattenseiten des Internets schützen wollen, halten sich besonders Influencer selten damit zurück. Sie stellen ihr Leben zur Schau und damit eben auch das Leben ihrer Kids. In manchen Fällen ist der Nachwuchs sogar zentraler Bestandteil des sogenannten „Contents“. Welche Folgen das für die Social-Media-Kinder haben kann, beleuchtet CNN.
Der US-Nachrichtendienst hat mit mehreren mittlerweile Erwachsenen gesprochen, deren Leben von ihren Eltern im Netz ausgeschlachtet wurde. Cam Barrett ist eine der Betroffenen. Sie erzählt, dass die Welt sogar erzählt bekommen habe, wann sie das erste Mal ihre Periode bekommen hat. „Ich war in der vierten Klasse. Ich war 9 Jahre alt. Das Datum war der 9. September 2009. Und meine Mutter postete … so etwas wie: ‚Oh mein Gott, mein kleines Mädchen ist heute eine Frau. Sie hat ihre erste Periode'“, erzählt die heute 25-Jährige CNN.
Kinder von Influencern: Traumatische Folgen
Es gab kaum etwas, was ihre Mutter nicht mit ihrem Publikum teilen wollte. Ihre Follower wussten von Barretts medizinischen Diagnosen, ihren Launen und intimen Details aus ihrem Leben. Als Teenagerin habe sie Erwachsenen deshalb nicht vertrauen können, aus Angst, ihre Gefühle würden mit der Welt geteilt werden. Nachdem ihre Mutter im Netz mitgeteilt hatte, dass ihre Tochter erkrankt sei, habe das zu Mobbing in der Schule geführt. „Als ich in die Schule zurückkehrte, verspottete mich mein Mathelehrer, der die Beiträge meiner Mutter gesehen hatte, und sagte den Kindern, sie sollten sich von dem infizierten Mädchen fernhalten“, so Barrett. Sie habe die Schule schließlich abbrechen müssen.
Aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen als eines der ersten „Social-Media-Babys“ setzt sich Barrett seit einiger Zeit für bessere Gesetze zum Schutz der Kinder ein. „Die sozialen Medien haben uns so schnell erreicht und viele unserer täglichen Gewohnheiten und Verhaltensweisen praktisch über Nacht verändert. Es ist, als ob wir alle ein neues Medikament einnehmen würden, ohne klinische Studien und ohne Informationen über langfristige Nebenwirkungen“, erklärt Comedian und Aktivistin Caroline Easom CNN. „Eine der wichtigsten Lektionen, die wir von Menschen lernen, die als Kinder zu oft geteilt wurden, ist, dass die sozialen Medien kein Ort sind, an dem man sich zurückhalten sollte, weder als Zuschauer noch als Urheber. Soziale Medien sind kein sicherer Ort“, sagt sie.
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Gesetz zum Schutz der Kinder
In den USA – im Staat Illinois – wurde mittlerweile ein Gesetz verabschiedet, das die finanzielle Entlohnung von Influencer-Kindern sichern soll. Teile der Einnahmen, die ihre Eltern durch den Content machen, sollen für sie angelegt werden. Ein guter Schritt, aber der digitale Fußabdruck, den viele der Kinder nicht gewollt haben, bleibt trotzdem. „Ich weiß aus erster Hand, wie es ist, keine Wahl zu haben, wenn ein digitaler Fußabdruck, den man nicht selbst geschaffen hat, einen für den Rest des Lebens begleitet“, sagt Barrett.
Für manche Influencer-Kinder gibt es kaum eine Unterscheidung zwischen Freizeit und dem Job, den sie selbst nicht gewählt haben. „Ich habe mit einigen Kinderschauspielern gesprochen, und eines der Dinge, die wirklich auffielen, war, dass es bei den Dreharbeiten als Kinderschauspieler einen sehr klaren Unterschied gab zwischen dem, was sie vor und was sie hinter der Kamera taten“, erklärt es Chris McCarty. McCarty gründete die Organisation „Quit Clicking Kids“, die sich dafür einsetzt, gegen die finanzielle Ausbeutung von Kindern im Netz vorzugehen.
„Wenn sie am Ende des Tages zu Hause waren, wussten sie, dass sie nicht mehr auftreten mussten. Aber diese neue Generation von Kindern hat kein Zuhause mehr, in das sie am Ende des Tages gehen können, um abzuschalten, weil die Kamera im Haus ist. Es ist, als würde man den ganzen Tag in einer Filmkulisse leben, jeden Tag“, so McCarty.
Aber wie ist die Lage in Deutschland? Hierzulande gibt es strenge Gesetze wenn es um Kinderarbeit geht: Kinder über drei bis sechs Jahre dürfen bis zu zwei Stunden täglich in der Zeit von 8 bis 17 Uhr arbeiten. Kinder über sechs Jahre bis zu drei Stunden täglich in der Zeit von 8 bis 22 Uhr – so steht es in Paragraph 6 des Jugendarbeitsschutzgesetzes. Für Kinder unter drei Jahren gibt es allerdings keine Regelung in dem Paragraphen. Da bereits Babys auf Instagram und Co. zur Schau gestellt werden, ist das Gesetz dahingehend unzulänglich.
Eine ähnliche Regelung wie die aus dem US-Bundesstaat Illinois gibt es auch in anderen Ländern wie zum Beispiel Frankreich. In Deutschland allerdings (noch) nicht.
Quellen: CNN / Medienrechtsanwälte / Jugendarbeitsschutzgesetz