Seit 25 Jahren in der ARD: „Tagesschau“-Sprecherin Daubner über die Nachrichten, die sie momentan besonders bedrücken

Seit 25 Jahren spricht Susanne Daubner die Nachrichten in der „Tagesschau“. Dem stern verrät sie, wie sie auf sexistische Schlagzeilen zu ihrem Start reagierte und erzählt, warum sie gerade genug von Nachrichten hat.

Frau Daubner, im April vor 25 Jahren haben Sie bei der „Tagesschau“ angefangen. Können Sie sich noch an die erste Aufnahme erinnern? 

Das ist wie mit dem ersten Kuss: Solche einmaligen Momente vergisst man nicht. Wobei die erste „Tagesschau“ für mich relativ entspannt verlief, da es nur eine kurze Ausgabe um 13 Uhr war. Bei meiner ersten Nachrichtensendung im Hörfunk 1987 war ich allerdings sehr aufgeregt. Ich kann mich noch genau daran erinnern, weil mein Herz so laut gepocht hat, dass ich dachte, kein Mensch versteht mich, mein Herzschlag übertönt alles. 

Als Sie neu bei der „Tageschau“ antraten, hat die DPA einen ganzen Absatz Ihrem Äußeren gewidmet, die Schlagzeile lautete: „Erste dunkelhaarige Tagesschau-Sprecherin“. Wie haben Sie darauf reagiert?

Dieser Presserummel hat mich anfangs etwas überfordert – darauf wird man ja leider nicht vorbereitet. Für mich zählte nur eins: Diese großartige Chance im Flaggschiff der ARD professionell und authentisch anzugehen. Und da ist die Haarfarbe natürlich unerheblich. 

Hat Sie die Schlagzeile geärgert damals? 

Nein. Ich habe das nicht so ernst genommen. Ich musste die Tatsache, dass ich nun Teil des „Tagesschau“-Teams bin, erstmal sacken lassen und verinnerlichen.

Susanne DaubnerHatten Sie das Gefühl, dass Sie als Frau unter besonderer Beobachtung standen bei der „Tagesschau“? 

Nein, überhaupt nicht. Diese Frage müssten Sie eigentlich Dagmar Berghoff stellen, sie war immerhin die erste weibliche Sprecherin der „Tagesschau“. Im Übrigen bin ich – als Kind der ehemaligen DDR – mit emanzipierten Frauen aufgewachsen. Das lag am Arbeitskräftemangel in den 1950er und 60er Jahren in beiden deutschen Republiken. Die BRD holte sich über Anwerbeabkommen etwa aus Italien, der Türkei und Spanien Gastarbeiter ins Land, aber wer wollte schon in die DDR? Also schaffte die SED die entsprechenden Rahmenbedingungen und holte die Frauen. Sie verdienten ihr eigenes Geld, wurden somit unabhängiger und selbstbewusster. Das hat mich geprägt und natürlich auch meine ganz eigene Geschichte. 

Hatten Sie sich die „Tagesschau“ als Karriere-Ziel gesetzt?

Nein, ich lebte nach der Flucht in Berlin, war glückliche Mutter einer kleinen Tochter und arbeitete beim ORB – ich vermisste nichts. Das einzige Ziel, das ich jahrelang verfolgt hatte, war der Wunsch, die DDR zu verlassen. Weg aus einer Diktatur, die einem die Luft zum Atmen nahm, weg von Bevormundung, Repressalien und der ständigen Angst, von der Stasi – das konnte der beste Freund sein – bespitzelt zu werden. 

1989 sind Sie aus der DDR geflohen und an der jugoslawischen Grenze über einen Fluss und in gefährliches Hochwasser geraten. Wie dramatisch war die Situation damals?

Es war dramatischer als gedacht. Der Grenzfluss zwischen Ungarn und Jugoslawien war nach tagelangem Regen über die Ufer getreten, so dass wir statt einer Stunde eine ganze Nacht im Wasser waren. Auf jeden Fall begleitet von vielen Schutzengeln, denn letztlich hatte diese Grenzerfahrung einen glücklichen Ausgang. Die Flucht war mein Weg, den ich gehen musste und ich würde es genauso wieder tun. Es war eine Erfahrung von vielen in Richtung Freiheit.

Judith Rakers Tagesschau16.34

Wann haben Sie gemerkt, dass Sie bei der „Tagesschau“ angekommen sind und erkannt werden? 

Das hat Gott sei Dank einige Jahre gedauert. In erster Linie präsentiere ich ja ein Produkt, das in Team-Arbeit entsteht. Aber letztendlich bin ich das Gesicht der „Tagesschau“ und somit eine Person des öffentlichen Lebens. Und das ist immer wieder eine Herausforderung. Tucholsky hat es mal treffend auf den Punkt gebracht: „Alle kennen mich, nur ich kenne keinen.“

Durch die sozialen Netzwerke wurden Sie auch beim jüngeren Publikum bekannt, vor allem, weil Sie auf TikTok und Co. regelmäßig die Jugendwörter des Jahres verkünden. Sind Sie dort auch privat unterwegs? 

Ja, aber eher selten. Zeit wird mit zunehmendem Alter immer kostbarer. Ich teile sie daher lieber mit realen Menschen und Dingen. 

Susanne Daubner liest Jugendwörter vor 12.33Neben den Jugendwort-Videos hat vor einiger Zeit auch ein Lachanfall von Ihnen im Netz die Runde gemacht und Ihre Popularität gesteigert. Kürzlich gab es dann eine Ton-Panne – ärgern Sie sich über solche Momente eigentlich? 

Nein, gar nicht. Es zeigt doch, dass auch wir nur Menschen sind, wer ist schon perfekt? Egal, ob Putzmann, kaputter Akku meines Mikrofons oder eben der Lachflash letztes Jahr im „Morgenmagazin“ – es macht uns und die Sendung nahbarer, menschlicher. Es ist natürlich nicht die Regel, sondern die Ausnahme.

Sind Sie manchmal Nachrichten-müde?

Ja. Kriege und Krisen weltweit gab es immer schon und wird es wohl leider immer geben. Aber dazu kam Corona, dann der Klimawandel. Und wenn der Mensch von der Politik nicht mehr wahrgenommen, sondern nur noch verwaltet wird, es kaum Wertschätzung gibt, vor allem gegenüber der Arbeitsleistung – das führt zu Resignation oder Aggression. Und das spürt man gerade in unserem Land. Was mich persönlich gerade sehr bedrückt und fassungslos macht, ist die humanitäre Katastrophe in Gaza. Ich berichte regelmäßig über das Elend dort, aber nichts passiert.

Denken Sie auch ans Aufhören? 

Ich habe einen spannenden Job. Es ist ein Privileg, für die „Tagesschau“ arbeiten zu können und dafür bin ich auch sehr dankbar. Trotzdem bin ich jetzt an einem Punkt, wo ich mich manchmal frage: Soll das schon alles gewesen sein? Ich habe noch Lust auf neue Abenteuer, mal raus aus eingetretenen Fußpfaden.