Nach seiner jüngsten Verurteilung wird Thüringens AfD-Anführer Björn Höcke ab dem 24. Juni erneut in Halle der Prozess gemacht. Und es gibt noch eine dritte Anklage.
Vor dem Justizzentrum von Halle an der Saale ballen sich Polizeibeamte, Demonstranten und Kamerateams, während im Verhandlungssaal Björn Höcke eine Kampagne gegen sich beklagt. Es gehe, argumentieren seine Verteidiger, ja bloß um einen Allerweltsspruch.
Klingt bekannt? Ist es auch.
Denn so geschah es an vier Verhandlungstagen im April und Mai. Und so wird es sich mit einigen Änderungen im Detail in Kürze wiederholen. Wie das Landgericht Halle am Mittwochnachmittag mitteilte, beginnt gegen den Thüringer AfD-Landeschef am 24. Juni die nächste Hauptverhandlung, in der es um „Alles für Deutschland“ geht. Die Parole war auf allen Dienst-Dolchen der SA eingraviert und prangte 1936 in großen Lettern auf der Bühne des Nürnberger Reichsparteitags der NSDAP.
PAID Interview Anwalt Jun 6:10
Das Gericht hat diesmal nur zwei Verhandlungstage angesetzt. Dass Höcke am 26. Juni nochmals verurteilt wird, darf als wahrscheinlich gelten. Denn schon der erste Prozess war Mitte Mai mit einem Schuldspruch zu Ende gegangen. Die 5. Große Strafkammer entschied auf eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen je 130 Euro, weil der AfD-Landeschef die SA-Parole im Mai 2021 auf einer Kundgebung in Merseburg gerufen hatte.
Björn Höcke hat gegen das Verbot von NS-Kennzeichen verstoßen
Das Gericht glaubte nicht der Versicherung des Angeklagten, dass er nicht gewusst habe, was er da skandierte. Der Vorsitzende Richter Jan Stengel verwies hingegen darauf, dass Höcke in Reden und Büchern wiederholt mit NS-nahen Begriffen hantierte. Zudem müsse ihm bekannt gewesen sein, dass in Sachsen-Anhalt zwei seiner Parteifreunde wegen genau dieser Parole von der Justiz verfolgt wurden. Die Schlussfolgerung der Kammer: Höcke habe „Alles für Deutschland“ bewusst benutzt – und somit gegen das im Strafparagraf 86a festgeschriebene Verbot von NS-Kennzeichen verstoßen.
Die Strafe ist hoch genug, dass Höcke als vorbestraft gälte. Im Extremfall könnte er in Hessen, wo er bis 2014 als Geschichts- und Sportlehrer gearbeitet hatte, seinen Beamtenstatus verlieren.
Doch noch ist es nicht so weit. Die drei Verteidiger Höckes haben Revision gegen die Entscheidung eingelegt. Und solange der Bundesgerichtshof das Urteil auf mögliche Rechtsfehler prüft, ist es nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft, die sechs Monate Haft auf Bewährung plus Geldbuße gefordert hatte, verzichtete auf eine Revision.
Unabhängig davon beginnt bald die zweite Hauptverhandlung in Halle. Diesmal geht es um einen Auftritt Höckes im Dezember 2023 in Gera. Wieder redete er auf einer AfD-Veranstaltung. Und wieder rief er „Alles für…“ – wobei er das Publikum mit Gesten aufforderte, den Spruch zu vollenden. Einige Menschen folgten und riefen „Deutschland!“.
Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft Halle geplant, den Geraer Fall gemeinsam mit der Kundgebung von Merseburg zu verhandeln. Am dritten Verhandlungstag zog sie jedoch ihren Antrag wieder zurück, aus, wie es hieß, „prozessökonomischen Gründen“.
Gleichwohl wurde das Video, das die Geraer Veranstaltung dokumentiert, auf Antrag der Ankläger schon während des ersten Prozesses vorgespielt – allerdings nur, um den Kontext der mutmaßlichen Tat von Merseburg zu illustrieren. Es dürfe nicht strafverschärfend gewertet werden, erklärte dazu der Vorsitzende Richter.
Es ist davon auszugehen, dass Höcke auch den neuen Prozess nutzt, um sich in den sozialen Medien systematisch als Justizopfer darzustellen. Ähnlich wie US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump setzt er darauf, mittels dieser Skandalisierung neue Wähler zu zu mobilisieren und Spenden einzutreiben.
Verfahren wegen Volksverhetzung in Mühlhausen
Und ähnlich wie Trump ist Höcke mit weiteren Anklagen konfrontiert. So muss er sich vor dem Landgericht im thüringischen Mühlhausen verantworten. Es geht um einen Post, den er 2022 im sozialen Netzwerk „Telegram“ veröffentlich hatte. Darin thematisiert Höcke den tödlichen Messerangriff eines Somaliers in Ludwigshafen.
Er schrieb: „Wahrscheinlich ist der Täter psychisch krank und leidet an jener unter Einwanderern weit verbreiteten Volkskrankheit, welche die Betroffenen ‚Allahu Akbar‘ schreien lässt und deren Wahrnehmung so verzerrt, dass sie in den ‚ungläubigen‘ Gastgebern lebensunwertes Leben sehen.“ Damit sieht offenbar die Staatsanwaltschaft den Tatbestand der Volksverhetzung als erfüllt an.
Allerdings steht nicht fest, wann der Prozess in Mühlhausen beginnt. Er könne noch keine Verhandlungstermine nennen, sagte am Mittwoch ein Sprecher des Landesgerichts auf Anfrage des stern.
Darüber hinaus droht Höcke schon das nächste Verfahren. Es geht um eine Rede vom Januar 2024 in Gera, auf der Höcke unter anderem erklärte, dass Deutschland „keine funktionierende Demokratie mehr“ sei. Die Staatsanwaltschaft Gera prüft die Aufnahme von Ermittlungen wegen des Verdachts der Volksverhetzung und Verunglimpfung des Staates.