In Georgien hat das Parlament ungeachtet heftiger internationaler Kritik das umstrittene Gesetz zur „ausländischen Einflussnahme“ endgültig verabschiedet. Die Mehrheit der Abgeordneten überstimmte am Dienstag ein Veto von Präsidentin Salome Surabischwili, die meisten Parlamentarier der Opposition hatten vor dem Votum den Saal verlassen. Die EU forderte Georgien nach der Abstimmung auf, „entschlossen auf den Weg in Richtung EU zurückzukehren“.
Die 84 Abgeordneten der Regierungspartei Georgischer Traum stimmten für die Verabschiedung des Gesetzes, nur vier Parlamentarier stimmten mit Nein. Die meisten Oppositionsabgeordneten hatten vor der Abstimmung den Saal verlassen. Staatschefin Surabischwili hatte nach der ersten Verabschiedung des Gesetzes vor zwei Wochen ihr Veto dagegen eingelegt.
Vor dem Parlament in Tiflis protestierte während der Abstimmung eine Menschenmenge. Die Teilnehmer schwenkten georgische und EU-Flaggen und skandierten „Sklaven Russlands!“ in Richtung der Abgeordneten des Georgischen Traums.
Für den Dienstagabend wurde in der Hauptstadt der Kaukasusrepublik erneut eine Großdemonstration gegen die Regierung erwartet. Umfragen zufolge sind mehr als 80 Prozent der Georgier für einen EU- und Nato-Beitritt ihres Landes.
Das umstrittene Gesetz sieht vor, dass sich Organisationen und Medien, die zu mindestens 20 Prozent aus dem Ausland finanziert werden, in Georgien künftig als Organe registrieren lassen, welche die „Interessen ausländischer Mächte verfolgen“. Sie müssen sich damit auch einer Kontrolle der Behörden unterwerfen.
Das Gesetz war bereits Mitte Mai verabschiedet worden. Die pro-europäische Präsidentin Staatschefin legte daraufhin ihr Veto ein und sagte im Fernsehen, das Gesetz sei „im Wesen russisch“ und widerspreche der georgischen Verfassung. Aufgrund der Mehrheit der regierungstreuen Abgeordneten im Parlament galt es als wahrscheinlich, dass diese sich darüber hinwegsetzen würden.
Gegen die Gesetzespläne und für eine europäische Perspektive Georgiens gehen seit Wochen zehntausende Menschen im Land auf die Straße. Kritiker sehen darin eindeutige Parallelen zum 2012 in Russland verabschiedeten Gesetz gegen „ausländische Agenten“, das es den dortigen Behörden ermöglicht, massiv gegen regierungskritische Medien und Organisationen vorzugehen.
2023 hatte die georgische Regierung ein ähnliches Gesetzesvorhaben nach Massenprotesten zunächst zurückgezogen – im April aber einen neuen Anlauf angekündigt.
Georgien ist seit Dezember offiziell EU-Beitrittskandidat. Der aktuellen Regierung unter Regierungschef Irakli Kobachidse wird jedoch vorgeworfen, die ehemalige Sowjetrepublik wieder an Moskau annähern zu wollen.
Nach der endgültigen Abstimmung am Dienstag erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, dass die Europäische Union diesen Schritt „zutiefst“ bedauere. Die EU habe wiederholt betont, dass das vom georgischen Parlament verabschiedete Gesetz gegen ihre Grundsätze verstoße, betonte Borrell. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten prüften „alle Optionen“.
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) bezeichnete das georgische Gesetz als einen „schweren Fehler“. Dieses wirke „schon jetzt destruktiv“ mit Drohungen und Einschüchterungen gegen georgische, deutsche und internationale Organisationen, erklärte Schulze bei X. Georgiens Regierung müsse „deren Schutz sicherstellen und sich klar zu europäischen Werten bekennen“, forderte die Ministerin.
In der vergangenen Woche hatten die USA Visa-Beschränkungen und eine Überprüfung der Beziehungen zu Georgien angekündigt. Der Europarat forderte das Land auf, das Gesetz rückgängig zu machen.
Nach der endgültigen Verabschiedung des Gesetzes sagte Georgiens Regierungschef Kobachidse, die Vorstellung von Sanktionen sei „nicht ernstzunehmen“. „Niemand kann das georgische Volk bestrafen, und niemand kann die vom georgischen Volk gewählten Behörden bestrafen“, sagte Kobachidse nach der Parlamentsabstimmung vor Journalisten.