TV-Kritik: Nancy Faeser bei Caren Miosga: „Unsere Gesellschaft muss viel aushalten“

Ein Potpourri der Gewaltbedrohung von fremdenfeindlichen Gesängen auf Sylt über die Terrorgefahr bei der kommenden Fußball-EM bis zu antisemitischen Übergriffen in Deutschland: Nancy Faeser spricht bei Caren Miosga über unsere Sicherheit in Deutschland.

Bei den meisten Talkshow-Themen fragt man sich: Geht’s nicht auch ein bisschen kleiner? Statt in sechzig Minuten alles reinzupressen, was einem an Fragen irgendwie einfallen könnte, wäre es doch erhellend, auf ausgewählte Teilaspekte einzugehen. Caren Miosga hatte in ihrer Sendung, bei der im Mittelpunkt zunächst die Bundesministerin des Innern und für Heimat, Nancy Faeser, stand, die Chance auf dieses Vorgehen gehabt. Aber stattdessen wurde, wie erwartbar, die große Keule geschwungen. 

Unter der Frage „Wie sicher ist Deutschland, Frau Faeser?“ gruppierte sich von fremdenfeindlichen Gesängen auf Sylt über die Terrorgefahr bei der kommenden Fußball-EM bis zu antisemitischen Übergriffen in Deutschland wirklich alles. Die Vielfältigkeit im Thema hätte durchaus die Chance gehabt, verschiedene Debatten anzustoßen. Letztlich blieb aber alles nur an der Oberfläche, ein einziges Aufzeigen von: Oh, da könnten, da sollten, da müssten wir noch mal was tun. 

Zu Gast bei „Caren Miosga“ waren:

Nancy Faeser, Bundesministerin des Innern und für Heimat (SPD)Güner Yasemin Balci, Beauftragte für Integration in Berlin-NeuköllnRonen Steinke, Jurist, Journalistin und Autor

Faeser Vorab stern-Interview

Unsere Gesellschaft muss viel aushalten

Das Skandieren von rechten Parolen, wie in dem Video von Sylt, das seit einigen Tagen durch die sozialen Medien wandert, ist „zutiefst menschenverachtend und rassistisch“, urteilte Nancy Faeser. Deswegen sei es auch wichtig, hier Grenzen aufzuzeigen, statt diese immer weiter zu verschieben. Aber „wir sind eine starke Gesellschaft, die manches aushalten muss“. Deswegen muss nun geklärt werden, was von dem, was in dem Video und vor Ort gesagt, gerufen und besprochen wurde, wirklich justiziabel ist. Denn nicht alles, so betonte Faeser es während der Talkshow mehrfach, „nicht alles, was uns nicht passt, ist verboten“. Hier gilt es immer zu prüfen. 

Ganz generell befürwortet die Bundesinnenministerin aber, wenn es zu schnelleren Verfahren kommt, die auch mit klaren Konsequenzen enden. Denn die „Täter müssen wissen, dass sie etwas falsch gemacht haben“ und die Folgen zu spüren bekommen. Das würde dann auch dem Ansehen des Rechtsstaates helfen, von dem sich manche nicht mehr gesehen fühlen. Ein Grund dafür, warum das aber zu selten geschehe, sei auch die „Zeit des Sparens“ der letzten Jahrzehnte im Justizwesen gewesen. „Das tat dem Rechtsstaat nicht gut“, so Faeser. Auch den Einwand Caren Miosgas, ob sich die Blitzverfahren, die bei den Klimaklebern eingesetzt wurden, nicht auch bei Angriffen auf Kommunalpolitiker eingesetzt werden können, gab es erwartbare Floskeln. „Unterschiede darf es nicht geben“, der Staat muss schneller reagieren, weil das das Vertrauen in den Rechtsstaat fördere. So weit, so vorhersehbar. Wie das inhaltlich umgesetzt werden soll, da gab es weder Nachfragen noch Vorschläge. 

Verrohung der Sitten

Nancy Faeser beklagte grundsätzlich eine „Verrohung der Sitten“, aus Worten würden inzwischen Taten folgen. In ihrer Anfangszeit in der Kommunalpolitik sei dies anders gewesen, da gab es zwischen den Parteien beispielsweise auch Streit, aber es war auch wichtig, dass sich danach noch alle in die Augen gucken konnten. Inzwischen gelte überall eher ein „öffentliches Anprangern“, ob nun bei den Beteiligten in Sylt oder dem politischen Gegenüber. 

Faeser Russland 07.09

Terrorgefahr bei der EM

Für die Fußball EM gibt es laut Nancy Faeser „eine sehr hohe abstrakte Gefährdung“ und keine „absolute Sicherheit“. Aber es werde natürlich alles getan, um die Spiele sicher zu machen. Ob sie mehr zu der Gefahrenlage wüsste, als sie zugibt, wollte Miosga von Faeser wissen und spielte einen Ausschnitt von Thomas de Maizière ein, bei dem er darauf verwies, die Bevölkerung nicht mit seinem Wissen verunsichern zu wollen. Diesen Satz denke sie „nicht sehr oft“, so Faeser und ergänzte auf Nachfrage lachend „Sie unterstellen mir, dass ich viel mehr weiß, als ich sage“. Es wäre schon wünschenswert, dass die Bundesinnenministerin mehr über die Sicherheitslage bei der EM weiß als die ARD-Journalistin, aber vielleicht wollte Faeser das Publikum eben doch einfach nicht zu sehr beunruhigen. Bekannt ist, dass eine Terrororganisation, die dem IS zugerechnet wird, die Spiele diffus bedroht, aber keine konkreten Pläne bekannt sein sollen. 

„Muslim Interaktiv“ wird geprüft

Das gilt für „Muslim Interaktiv“ nicht. Die beiden Gäste Güner Yasemin Balci und Ronen Steinke wandte sich mit der Frage an Nancy Faeser, warum diese Vereinigung, die nicht nur in den Sozialen Netzwerken aktiv ist, sondern laut Balci auch auf der Straße um Mitglieder wirbt, nicht schon längst verboten ist. Es gäbe, so Steinke, ein „Bedrohungspotential“, das von „Muslim Interaktiv“ ausgehe und das müsste in einem Betätigungsverbot enden. Die „Behörden prüfen und wenn wir so weit sind, verbieten wir auch“, gab die Bundesinnenministerin zurück. Es sei wichtig, dass es „juristisch hält“. Der Integrationsbeauftragten und dem Journalisten reichten diese Hinweise nicht. Es gäbe Drohungen gegen die, die sich für die Demokratie und gegen „Muslim Interaktiv“ einsetzen. Sobald diese einen justiziablen Rahmen erreicht hätten, könnte das verfolgt werden, so Faeser.

Klare Kante gegen Antisemitismus

Anzeigen dazu gäbe es aber wenige, genau wie zu antisemitischen Übergriffen. Ronen Steinke erklärte, dass das Vertrauen in die Polizei in der jüdischen Gemeinschaft nicht allzu groß sei. Das ist ein „strukturelles und ein juristisches Problem“, so Steinke. Unter der Ampel-Koalition hätte es zwar Fortschritte im Bereich der Maßnahmen gegen Antisemitismus in der Polizei gegeben, Disziplinarmaßnahmen seien erleichtert worden, aber die Wirkung dessen sei begrenzt. Es bräuchte „viel klarere Kante“, schnellere und strengere Maßnahmen. Nancy Faeser verwies auf die Verbesserungen im Disziplinarverfahren, ließ die Kritik nicht zu. Man dürfe nicht sofort überzeichnen, sondern schauen, was wirklich verboten ist. 

TV-Kritik Caren Miosga

Weitere Themenpunkte:

Mangelnde Dialogbereitschaft in der Uni Einige Studierende der  Humboldt Universität in Berlin machten in diesen Tagen mit antisemitischen Aussagen auf sich aufmerksam. Nancy Faeser konzentrierte sich bei ihrer Aussage darauf, dass ein dort gezeigtes Graffiti verboten und strafbar ist. Minderheit die Mehrheit in Schacht hält: Güner Yasemin Balci ermahnte noch mal, dass es wichtig wäre, die Menschen, dieimmer wieder durch Demokratiefeindlichkeit auffallen, „aus dem Verkehr gezogen werden“. Balci sagte auch „Ich mache mir Sorgen um unsere freie Gesellschaft“. 

Es steht zu bezweifeln, dass aus dieser „Caren Miosga“- Sendung großer Erkenntnisgewinn gezogen werden konnte. Dafür waren nicht nur die Positionen zu vorhersehbar, auch die Themenauswahl war viel zu überfrachtet für die Talkshowzeit. Und so bleibt nur mal wieder die Erkenntnis von: Guter Ansatz, zu wenig draus gemacht. Das liegt nicht an der Moderatorin, sondern an der Idee der Talkshow generell, von den Politikern immer möglichst viele Phrasen abzufragen. Denn natürlich war bereits vorher klar, dass Faeser sich nicht zu Bedrohungen bezüglich der EM äußern kann, dass Ermittlungsinterna gegen „Muslim Interaktiv“ oder Kritik an antisemitischen Polizeibeamten eher wenig kommentiert wird. Vor diesem Standpunkt aus war es schon ein wichtiges Zeichen, dass die Bundesinnenministerin noch mal betonte, dass die Gefahr für unsere Demokratie nicht nur von außen kommt, sondern es auch im inneren bröckelt und wir uns gemeinsam mit aller Kraft dagegen halten müssen.