Charles Leclerc feiert endlich den ersten Sieg in seiner Heimatstadt Monte Carlo. Der Triumph bestätigt einen Trend: Dominator Max Verstappen und Red Bull herrschen nicht mehr uneingeschränkt. Reicht das schon, damit in der Formel 1 wieder sowas wie Spannung aufkommt?
Erst schubste er seinen Vorgesetzten Frédéric Vasseur ins Hafenbecken von Monte Carlo, dann sprang Ferrari-Pilot Charles Leclerc im Rennanzug mit einem Kopfsprung hinterher. Ein Siegerbad zu nehmen, das hat Tradition nach dem Großen Preis von Monaco. Red Bull hatte in den vergangenen Jahren eigens einen Swimmingpool für das Ritual aufgebaut.
Leclerc, 26 Jahre alt, gewann am Sonntag zum ersten Mal in seiner Karriere das legendäre Stadtrennen. Vorher war noch von seinem Monaco-Fluch zu lesen, weil er es in den ersten fünf Jahren als Fahrer des italienischen Rennstalls nicht geschafft hatte, in seiner Geburtsstadt zu siegen. Selbst als er 2021 und 2022 jeweils die Pole Position geholt hatte, scheiterte der Monegasse, obwohl der vorderste Startplatz so gut wie immer den Sieg auf dem engen Stadtkurs bedeutet. Doch Ferrari gelang es in bester Ferrari-Tradition, die hervorragende Ausgangsposition zu verspielen. Einmal fiel das Auto auf dem Weg in die Startposition wegen eines technischen Defekts aus, ein anderes Mal vermasselte das Team den Sieg durch dumme Strategiefehler.
Ferrari patzte regelmäßig in Monaco
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Diesmal lief das Rennen für die Scuderia nahezu perfekt. Leclerc behielt die Nerven und raste dem Feld bis zur Ziellinie souverän vor. Der Erfolg ist auch deshalb etwas Besonderes, weil er eine Entwicklung bestätigt, die sich in der laufenden Saison angedeutet hat: Ferrari und McLaren greifen (endlich!) die Herrschaft von Red Bull an. Der amtierende Weltmeister Max Verstappen wurde in Monaco lediglich Sechster. Sein Auto ist zwar auf den meisten Strecken weiterhin am schnellsten, aber auf bestimmten Kursen kann der Red Bull die Überlegenheit nicht ausspielen. Langsame, enge Kurven und harte Curbs machen die Performance des Boliden kaputt, hier sind Ferrari und McLaren klar im Vorteil. Ihre Autos absorbieren die harten Streckenbegrenzungen, über die die Fahrer rasen, um Strecke zu sparen, besser.
Der Red Bull hingegen verliert bei Curbs und Bodenwellen an Geschwindigkeit. „Der Wagen liegt fürchterlich. Ich kann gar nicht richtig beschreiben, was passiert. Es ist sehr schwierig.(…) Der Wagen springt wie ein Känguru, er kommt mit all diesen Wellen und Schlägen und Randsteinen und Neigungsänderungen sehr schlecht zurande. Da verlieren wir wahnsinnig viel Zeit. Es ging nicht schneller“, sagte Verstappen nach den Trainingssessions am Freitag. Auch das nächste Rennen in Montreal ist für den Red Bull erfahrungsgemäß kein gutes Pflaster, Ferrari und McLaren dürften erneut eine ernstzunehmende Konkurrenz sein.
Carlos Sainz: Werden jedes Wochenende stärker
Das Rennen an der Côte d’Azur taugt zwar nur bedingt als Maßstab, weil es spezielle Bedingungen hat und die meisten anderen Strecken dem Red Bull besser liegen. Dennoch: Ferrari und McLaren haben den Abstand auf Red Bull verkürzt, der Vorsprung von Verstappen auf Leclerc in der WM-Fahrerwertung ist auf 31 Punkte zusammengeschmolzen. Nach zwei Jahren der Langeweile, in denen Verstappen in einer eigenen Liga fuhr, scheint die Dominanz zumindest mal Risse zu bekommen. Ein sanfter Hauch von echtem Titelkampf deutet sich an. Ob das schon für echte Spannung reicht?
„Es sieht aus, als ob wir jedes Wochenende stärker und stärker werden“, sagte Ferrari-Fahrer Carlos Sainz. Der Spanier wurde in Monaco Dritter und hat auch schon einen Saisonsieg auf dem Konto. „Red Bull sind immer noch die Favoriten, aber sie werden nicht mehr so dominieren wie in der Vergangenheit, das ist gut für die Meisterschaft, sagte Sainz, der sein Cockpit bei der Scuderia im kommenden Jahr für Lewis Hamilton räumen muss.
Ähnlich selbstbewusst tritt man bei McLaren auf. Die Entwicklung des britischen Traditonsteams ist für Red Bull und Verstappen vielleicht sogar gefährlicher. Das junge Fahrerduo aus Oscar Piastri, 23, und Lando Norris, 24, meldet Ansprüche an: „Wir können selbstbewusst sein, egal wo wir fahren“, sagte der Australier Piastri. Siege seien für sie jetzt auf jeder Strecke möglich. Piastri wurde in Monaco schon Zweiter, der Brite Norris Vierter, in der WM liegen sie auf den Plätzen sechs und drei. Vieles spricht dafür, dass sie Verstappen gemeinsam mit Ferrari auch in zwei Wochen in Kanada jagen werden.
Quellen: „Motorsport-Total„, „Motorsport Magazin„, „Süddeutsche Zeitung„, DPA