Asylverfahren in Drittstaaten: Was hinter dem „Albanien-Modell“ steckt – und wer dafür infrage käme

Innenministerin Faeser sympathisiert im stern-Interview mit Asylzentren in Drittstaaten, sie beobachte den Italien-Albanien-Deal mit Interesse. Dabei ist die Idee gar nicht neu, bereits 2018 haben die EU-Staaten Ähnliches vorgeschlagen – und sind gescheitert.

Kaum hat die EU-Kommission das umstrittene Migrationspaket ins Ziel gebracht, werden die Rufe nach Asylverfahren in Drittstaaten lauter. Erst war es die Europäische Volkspartei (EVP) um den CSU-Spitzenkandidaten Manfred Weber, die in ihrem Manifest für die kommenden Europawahlen ein sogenanntes Ruanda-Modell für die EU forderte. Dort heißt es: „Wer in der EU Asylantrag stellt, soll in einen sicheren Drittstaat überstellt werden und dort das Asylverfahren durchlaufen.“

Inzwischen scheinen auch die Sozialdemokraten mit der Idee zu sympathisieren. Die geschlossene Ablehnung gegen eine Auslagerung von Asylverfahren jedenfalls bröckelt. SPD-Innenministerin Nancy Faeser sagt im stern-Interview, dass sie „Sympathien für das sogenannte Albanien-Modell“ erkenne: „Ich schaue mit Spannung darauf, was Italien gemeinsam mit Albanien macht“. Im Juni will sie einen Untersuchungsbericht vorstellen, der ähnliche Partnerschaften auslotet.

Doch worum geht es bei dem Albanien-Deal?

Bereits im November letzten Jahres schloss die postfaschistische Premierministerin Giorgia Meloni ein Abkommen mit Albanien, wonach der Balkanstaat Migranten aufnehmen würde, die von Italien aus internationalen Gewässern gerettet werden.

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Italien sieht demnach vor, zwei Asylzentren für jeweils bis zu 3000 Migrantinnen und Flüchtlinge am Hafen von Shengjin an der albanischen Küste zu betreiben. Dort könnten die Geflüchteten rund einen Monat lang festgehalten werden, während italienische Behörden ihre Asylanträge prüfen. So könnten etwa 36.000 Asylanträge jährlich außerhalb von Italien abgehandelt werden. 

Der Unterschied zum umstrittenen Ruanda-Deal des Vereinigten Königreichs: Die Aufnahmezentren zielen ausschließlich auf Personen ab, die über das Mittelmeer nach Italien übersetzen. Nach ihrer Rettung auf hoher See sollen sie nicht mehr zu sicheren Häfen nach Italien gebracht werden, sondern nach Albanien. Zudem sollen italienische und nicht albanische Behörden die Zentren betreiben und die Asylanträge prüfen. 

Asylverfahren in Drittstaaten: Eine „zentrale Frage“ bleibt

Nach internationalem Seerecht ist eigentlich der nächste sichere Hafen für gerettete Migrantinnen zuständig. Immer wieder hat sich Italien in den vergangenen Jahren der Aufnahme verweigert und Rettungsboote in italienischen Häfen blockiert. Eigentlich zielt der neue EU-Migrationspakt, der erst im April vom EU-Parlament angenommen wurde, genau auf dieses Problem ab. Dieser soll unter anderem dafür sorgen, dass Mittelmeerstaaten in Krisenzeiten wirkungsvoller entlastet werden, zum Beispiel indem andere EU-Länder Personal stellen oder finanzielle Hilfe leisten oder sie Asylbewerber aufnehmen. Damals gab sich Bundesinnenministerin Faeser zuversichtlich. Sie sagte: „Wir haben bei der Migration eine tiefe Spaltung Europas überwunden.“

Der Deal zwischen Italien und Albanien wird von Nichtregierungsorganisationen scharf kritisiert: „Menschen, die von italienischen Behörden aus dem Meer gerettet werden, einschließlich derjenigen, die in Europa Sicherheit suchen, fallen unter die italienische Gerichtsbarkeit und können nicht in ein anderes Land gebracht werden, bevor ihr Asylantrag und ihre individuellen Umstände geprüft worden sind. So einfach ist das“, sagt die Amnesty Migrationsexpertin Elisa De Pieri. 

Dürr Albanien

Tatsächlich hat sich auch die EU bereits mit dieser Frage beschäftigt. Im Juli 2018 schlugen die europäischen Staatschefs Ausschiffungsplattformen für Migranten in Drittstaaten vor. Die EU-Kommission, damals unter Jean-Claude Juncker, lieferte wenige Wochen später ein Konzept dafür. 

Schwierige Suche nach Partnerstaaten

Es sah vor, in Drittstaaten von der EU kontrollierte Zentren einzurichten, um dort zwischen irregulären Migranten zu unterscheiden und solchen, die europäischen Schutz benötigen. „Regionale Ausschiffungsplattformen“ nannte sie die Kommission. 2018 hatte der Vorschlag allerdings keinen Erfolg. Das Europaparlament stand dem Vorhaben kritisch gegenüber. Ein Rechtsgutachten des zuständigen Ausschusses für bürgerliche Freiheiten (LIBE) stellte die rechtliche Basis allerdings nicht in Gänze infrage: Demnach müsste die EU unter Umständen keine Verantwortung mehr für Migrantinnen tragen, wenn sie in internationalen Gewässern gerettet und von dort aus direkt zu den Plattformen in Drittstaaten gebracht würden.

Letztlich scheiterte das Vorhaben der EU aber an dem Mangel an Partnerländern, Drittstaaten wollten sich nicht auf den Deal einlassen. Die Afrikanische Union lehnte den Vorschlag geschlossen ab. Die Plattformidee sei eine „vereinfachende und daher kontraproduktive Lösung“, sagte 2018 etwa der damalige marokkanische Außenminister Nasser Bourita.

Der schwierigen Suche nach Partnerstaaten scheint sich auch Nancy Faeser bewusst zu sein. Im Juni will sie einen Prüfungsbericht vorstellen, der nicht nur die rechtliche Basis der umstrittenen Deals untersucht, sondern auch potenzielle Partner auslotet. Im Interview mit dem stern sagt die Innenministerin: „Die zentrale Frage bleibt: Welcher Staat wäre überhaupt bereit, in größerer Zahl Flüchtlinge zu übernehmen? Welches Land würde für die Sicherheit dieser Menschen sorgen und sie bei einer Ablehnung auch zurückführen?“