Kakaobohnen sind teuer wie nie. Schuld ist der Klimawandel. Was sind die Folgen für die Supermarkt-Regale?
Seit Anfang 2023 ist der Kakaopreis in schwindelerregende Höhen geklettert, eine Vervierfachung binnen eines Jahres. Am 19.April 2024 dann das Allzeithoch: Die Tonne Kakaobohnen kostete an der New Yorker Börse 12.500 Dollar. Teurer war der Rohstoff nie zuvor in der Geschichte.
Seit April nun sinken die Preise zwar wieder, doch die Ausschläge bleiben heftig und das Niveau hoch. Zum Vergleich: In den vergangenen 20 Jahren zahlten die Süßigkeitenhersteller zwischen 1500 und 4000 US-Dollar pro Tonne. Die bange Frage vieler Hersteller und Schokoladenesser: Warum ist Kakao plötzlich ein Luxusgut und wie lange kann ich mir Schokolade noch leisten?
Schlechte Ernten, wenig Anbaugebiete
Dass Kakaobohnen teurer werden, liegt vor allem am Klimawandel. In den Hauptanbaugebieten an der Elfenbeinküste und Ghana gab es hohe Ernteausfälle aufgrund von Dürreperioden im Wechsel mit Starkregen und Überflutungen. Aus diesen Regionen kommen rund 70 Prozent der Kakaobohnen. Die Nässe setzt den Kakaobäumen zu, sie haben Pilzerkrankungen und sind teils abgestorben, berichtet der WWF.
In Ghana, mit einem Marktanteil von 13 Prozent der zweitwichtigste Kakaoproduzent, wurden seit Erntebeginn im September bis Ende Januar dieses Jahres über ein Drittel weniger Kakaobohnen an die für die Vermarktung zuständige Behörde verkauft. Allein Ghana benötigt 2 Mrd. Dollar, um die von Pilzkrankheiten geplagten Kakaoplantagen zu behandeln. „Viele Bäume sind alt und anfälliger für Krankheiten“, so Carsten Fritsch, Rohstoffexperte der Commerzbank. In neue Plantagen und Bäume aber sei zu wenig investiert worden, da der Kakaopreis so niedrig war.
Bohne für Bohne Handarbeit
Die Kakaoernte erfolgt noch weitgehend von Hand, Millionen von Kleinbauern schlagen vorsichtig mit einer Machete die schwere Kakaofrucht ab, die jeweils nur rund 30 bis 50 Gramm Bohnen enthält, die weiterverarbeitet werden können. Erntegroßmaschinen kommen kaum zum Einsatz, sodass die Ernte langwierig und aufwändig ist. Aufgrund dieser Bedingungen ist das Angebot kurzfristig kaum zu erhöhen.
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Und wegen einer EU-Regelung dürfte es sich sogar noch weiter verknappen. Ab Ende 2024 ist der Import von Agrarprodukten aus Gebieten, welche nach 2020 gerodet wurden, verboten. Denn gerade die illegalen Rodungen hätten den Kakaopreis so niedrig gehalten.
Kleinbauern profitieren nicht
Die Rekord-Kakaopreise kommen bei den Millionen Kleinbauern nicht an. Die meisten von ihnen leben am Existenzminimum und bekommen wenige 100 Dollar im Monat. Zwar haben Unternehmen wie Nestlé und Rittersport inzwischen Programme, die die Einkommen der Bauern verbessern, wenn sie etwa auf Kinderarbeit verzichten. Doch die lokalen Regierungen der Elfenbeinküste und Ghanas legen die offiziellen Preise fest. Die Kleinbauern bekommen einen niedrigen fixen Preis garantiert.
Für die aktuelle Ernte 2023/24 erhalten beispielsweise die Landwirte an der Elfenbeinküste pro Kilogramm knapp 1,65 Dollar, also 1650 Dollar pro Tonne. Der aktuelle Kakaopreis liegt Mitte Mai bei 7900 Dollar. Aktuell landen lediglich etwa sechs Prozent des Preises einer durchschnittlichen Schokoladen-Tafel bei den Farmern. Das große Geld beim Kakao verdienen Händler und Nahrungsmittelkonzerne.
Kakaomangel weltweit
In diesem Jahr dürften weltweit 400.000 Tonnen Kakao fehlen, nach 99.000 Tonnen 2022/23 und 216.000 Tonnen 2021/22. Die Lagerbestände im Vergleich zum Verbrauch fielen dann auf etwa 25 Prozent. Es wäre der tiefste Stand seit dem Rekordjahr 1977. Für die Süßwarenindustrie wird das zum Kostenproblem: Die Importpreise für Kakaobohnen und Kakaobohnenbruch lagen laut Statistischem Bundesamt im Januar 2024 um 73 Prozent über dem Vorjahresniveau. Zu den Hauptabnehmer von Kakao zählen die Niederlande mit 770.000 Tonen (Erntejahr 2022) und Deutschland mit rund 470.000 Tonnen.
Noch sind die Regale im Supermarkt zwar voll, da viele Unternehmen langfristige Verträge mit ihren Partnern haben und die Lager frühzeitig aufgestockt haben. Die ersten Folgen der Krise zeigen sich aber bereits: Im vergangenen Jahr verkündeten mehrere Unternehmen, darunter Barry Callebaut und Hershey, einen Stellenabbau.
Teure Schokolade
Zwar verarbeiten die Hersteller im vergangenen Jahr vor allem Kakao, den sie schon im Vorjahr zu deutlich niedrigeren Preisen eingekauft hatten. Dennoch stiegen die Kosten für die Verbraucher: Schokolade, so eine Auswertung des „Handelsblatts“, kostete im Supermarkt 2023 um bis zu 30 Prozent mehr, was allerdings auch an Zutaten wie dem teuren Zucker lag. Um Preisanstiege abzumildern, schließen Hersteller zudem Absicherungsgeschäfte ab.
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Bisher hat die Lust aufs Naschen nicht nachgelassen. Laut dem Verband der Süßwarenindustrie erhöhten die deutschen Hersteller ihre Schokoproduktion im vergangenen Jahr um 1,7 Prozent auf 1,2 Millionen Tonnen.
Inwieweit die Schokoladenhersteller die gestiegenen Kakao-Bohnenpreise weiter überwälzen, dürfte von Marktmacht und Kosten abhängen. Der Kakaoanteil an der Schokolade variiert je Hersteller. Bei Lindt&Sprüngli, dem größten Schweizer Schokoladenhersteller, macht der Rohstoff Kakao rund 10 Prozent des Preises aus. Im April 2024 kostete Schokolade laut Destatis nochmal 12,4 Prozent mehr als im Vorjahresmonat.
Schokolade wird Luxus
Die Kakao-Knappheit wird vermutlich kein kurzweiliges Phänomen sein. Der WWF beruft sich auf Studien, wonach die Produktion in Afrika noch wesentlich stärker einbrechen könnte, weil die Mehrheit der Anbauflächen in Zukunft deutlich weniger geeignet sein werde. Für viele der oft in Armut lebenden Kakaobauern würde dann eine wichtige Einkommensquelle wegbrechen.
Auch bei anderen andere Lebensmitteln wie Avocado, Kaffee, Mango, Kokos, Papaya und Bananen kann es dem WWF zufolge klimabedingt künftig zu größeren Schwankungen bei Verfügbarkeit und Preisen kommen. Die Börse allerdings spekuliert schon wieder auf fallende Preise, erkennbar in den Future-Kontrakten, die nach unten zeigen. Für Schokoladenfans brechen teure Zeiten an. Denn die Nutella-Lösung funktioniert nicht mehr. Die Creme wurde erfunden, als Schokolade knapp und teuer war, Butter und Öl hingegen billig. Doch diese Rechnung geht nicht mehr auf.