Beleidigungen, Pöbeleien und manchmal sogar Übergriffe: Im Wahlkampf kann es für Ehrenamtliche unangenehm werden. Parteien bieten deswegen Schulungen an. Was raten sie?
Zerstörte Plakate, Pöbeleien und sogar Übergriffe: Vor den Kommunal- und Europawahlen müssen Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer im Südwesten immer wieder mit unzufriedenen und auch teils aggressiven Bürgern umgehen. Der CDU-Wahlkampfberater Lennart Christ rät Ehrenamtlichen in solchen Fällen am Wahlkampfstand zu großer Zurückhaltung. „Die meisten Pöbler pöbeln im Vorbeigehen. Da bringt es überhaupt nichts, etwas hinterherzurufen. Und mal sollte niemals hinterhergehen“, sagte Christ der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart.
Sein Rat an die Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer auf den Marktplätzen: Diese Menschen einfach weiterziehen lassen. „Alles andere würde nur unnötig Konfliktpotenzial schüren“, sagte Christ, der selbst in Mannheim für den Gemeinderat kandidiert und im vergangenen Jahr den erfolgreichen Wahlkampf des heutigen CDU-Oberbürgermeisters Christian Specht leitete.
Für den CDU-Landesverband schulte er zudem ehrenamtliche Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer im Umgang mit Pöbeleien. Auch die Grünen hatten angekündigt, vor dem Wahlkampf Deeskalationstrainings für ihre Mitglieder anbieten zu wollen.
Sollten Pöbler doch mal am Wahlkampfstand bleiben, rät Christ auch hier, ruhig zu bleiben. „Die Wahlkämpfer sollten auf Provokationen nicht eingehen und nicht zurück eskalieren. Besser ist es, höflich zu bleiben und zu versuchen, das Gespräch abzubinden“, sagte Christ. Es helfe etwa, zu sagen, dass das Gespräch so keinen Sinn ergebe und dass man noch einen schönen Tag wünsche.
Zudem empfiehlt der Wahlkämpfer, immer mit Parteifreunden unterwegs zu sein. „Ich rate davon ab, alleine an den Wahlkampfstand zu gehen. Man fühlt sich sicherer, wenn man da zu zweit oder zu dritt steht.“
Er selbst habe es noch nicht erlebt, dass es am Wahlkampfstand zu größeren Auseinandersetzungen kam, berichtete er. „Man merkt relativ schnell, ob eine Person wirklich reden oder nur Frust ablassen will. Dann lässt man diese Leute ihre vier oder fünf Sätze sagen und dann ziehen die auch meistens weiter. Es gibt nur wenige, die darüber hinaus aggressiver werden.“
Sollte das aber doch mal passieren, rät er, schnell die Polizei hinzuzuziehen. „Wenn es handgreiflich wird, sollte jemand anderes am Stand möglich schnell die Polizei rufen. Bei Handgreiflichkeiten ist eine Grenze überschritten. Sowohl rechtlich und moralisch als auch, was die Deeskalationsfähigkeit von ehrenamtlichen Wahlkämpfern angeht“, sagte Christ. Zudem sei es sicher nicht verkehrt, den Wahlkampfstand vorher bei der Stadt oder bei der Polizei anzukündigen.
Nach Angaben des Innenministeriums erfasste das Landeskriminalamt bis zum 21. Mai Straftaten im niedrigen dreistelligen Bereich im Zusammenhang mit der Kommunal- und Europawahl. Der Schwerpunkt liege bei Sachbeschädigungen, vor allem seien Wahlplakate beschädigt und entwendet worden. Zudem sei eine niedrige einstellige Zahl an Körperverletzungen erfasst worden.
In den vergangenen Wochen war es vermehrt zu Angriffen auf Politiker und Politikerinnen und zu Beschädigungen von Wahlplakaten in Deutschland gekommen. In Dresden wurde der SPD-Wahlkämpfer Matthias Ecke krankenhausreif geschlagen, in Berlin gab es einen tätlichen Angriff auf Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD). Auch Politiker von AfD und Grünen wurden bedroht und attackiert.
In Baden-Württemberg hatten die Parteien jüngst ebenfalls von Pöbeleien und Übergriffen berichtet. Von der SPD hieß es, Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer seien seit Beginn des Wahlkampfes mit Beleidigungen und Beschimpfungen konfrontiert. „Die Anzahl und Heftigkeit hat im Vergleich zu vergangenen Wahlkämpfen in diesem Jahr spürbar zugenommen“, so eine Sprecherin.
Zwei AfD-Mitglieder waren Anfang Mai nach Polizeiangaben beim Anbringen von Wahlplakaten in Hemmingen (Kreis Ludwigsburg) beleidigt und bedroht worden. Es sei zu einer kurzen Handgreiflichkeit mit drei mutmaßlich unter Alkoholeinfluss stehenden Unbekannten gekommen.
Ende Februar war ein Grünen-Kandidat für die Kommunalwahl im Amtzell (Kreis Ravensburg) beleidigt und geschlagen worden. Der Mann habe angegeben, dass sich die Beleidigungen auf sein Partei-Engagement bezogen hätten, teilte die Polizei damals mit.