Die AfD hat Ärger mit ihren EU-Spitzenkandidaten, nun kündigt ihnen auch Frankreichs Rechtsaußen Marine Le Pen die Freundschaft. Zwei große Fraktionen rechts der Mitte gibt es in EU-Parlament – ist die AfD dort noch willkommen?
Georgia Meloni ist gelungen, woran die Le Pens jahrzehntelang gescheitert sind: den Griff zur Macht. Seit 2022 ist die postfaschistische Italienerin Regierungschefin, eine Funktion, in deren Nähe die beiden französischen Rechtsaußen Jean-Marie Le Pen noch seine Tochter Marine Le Pen nie gelangt sind. Bislang jedenfalls nicht. Was nur eine Frage der Zeit sein könnte. Denn Marine Le Pen, mit Meloni Postergirl der europäischen Rechten, ist gelungen, woran die deutsche AfD nicht einmal ein Interesse zu haben scheint: die Deradikalisierung ihrer Mitgliederschaft.
AfD-Mann Krah hat einmal zu viel provoziert
Maximilian Krah zum Beispiel, AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, hatte jüngst in einem Interview mit der römischen Zeitung „La Republicca“ ausgeführt, dass Mitglieder der SS-Truppe in der NS-Zeit „nicht alle Verbrecher“ gewesen seien. Für Le Pens Partei Rassemblement National hat die Aussage das Fass zum Überlaufen gebracht. Die Nähe zur AfD ist offenbar derartig rufschädigend, dass die RN-Chefin die Zusammenarbeit mit den Deutschen nun beendet hat. „Die AfD ging von Provokation zu Provokation“, sagt Le Pen.
Die Trennung erfolgt mit Ankündigung: Bereits im Februar sah sie sich zur Aussprache mit AfD-Chefin Alice Weidel genötigt. Es ging um das Rechtsradikalen-Treffen in Potsdam, an dem auch AfD-Mitglieder teilgenommen haben. Geholfen hat es nicht. „Jetzt ist es an der Zeit einen klaren Bruch mit dieser Bewegung zu vollziehen, die eindeutig unter dem Einfluss radikaler Gruppen steht“, so die Französin jetzt.
Selbst Meloni distanziert sich von AfD
Die deutschen Rechten sind nicht nur den französischen Rechten zu rechts: Auch andere europäische Parteien hadern mit der AfD. Nach den Enthüllungen des Rechercheverbunds „Correctiv“ über die Inhalte des Rechtsradikalen-Treffens hatte sich auch Giorgia Meloni von den ultrarechten Fratelli d’Italia von Weidels und Tino Chrupallas Partei distanziert. Sie sprach von „unüberbrückbaren Differenzen“ und bezog sich damals vor allem auf die Beziehungen der AfD zu Russland.
AfD verhängt Auftrittsverbot für Europa-Spitzenkandidat Krah
Was die Scheidung für das künftige Europaparlament bedeutet, ist noch nicht absehbar, doch vermutlich dürften die rechten Fraktionen nach der Wahl am 9. Juni um einen Flügel reicher werden.
Zur Zeit teilen sich die EU-Abgeordneten in sieben Fraktionen auf: auf der einen Seite die „Linke“ (unter anderem mit Abgeordneten der deutschen Partei die Linke), die Sozialdemokraten und die Grünen. Daneben die liberale „Renew Europe“ und die EVP (Christdemokraten, aus deren Reihen auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stammt).
Ungarns Fidesz hat keine Parlamentsheimat
Rechts davon sammeln sich die Nationalkonservativen in der Fraktion „Europäische Konservativen und Reformer“ (EKR) und die Rechtspopulisten bei „Identität und Demokratie“ (ID):
Die AfD ist Teil der ID-Fraktion, in der auch Le Pens RN organisiert ist. Politisch stehen die ihr zugehörigen Parteien ziemlich weit rechts. Die „nationalistische Internationale“ (Lega-Chef Matteo Salvini) will der „Stachel im Fleisch der Eurokraten“ sein, wie AfD-Mann Jörg Meuthen vor einigen Jahren sagte. Der ID gehören außerdem Abgeordnete der Lega (Italien), FPÖ (Österreich), Vlaams Belang (Belgien), Wahren Finnen (Finnland), Dansk Folkeparti (Dänemark), PVV und FvD (Niederlande), SPD (Tschechien) und Konservativen Volkspartei (Estland) an.
Etwas gemäßigter tritt die deutlich größere EKR-Fraktion auf. Zu ihr gehören Politiker aus 17 Ländern, darunter auch der Deutsche Lars Berg vom „Bündnis Deutschland“, das aus der AfD hervorgegangen ist. Die meisten Abgeordneten kommen von der früheren polnischen Regierungspartei PiS, Georgia Melonis Fratelli d’Italia ist mit zehn Abgeordneten vertreten. Bis zum Brexit waren auch die britischen Konservativen Teil der EKR. Die Fraktion deckt den breiten Bereich von Moderaten bis zu Europaskeptikern ab – ist aber zumindest für Christdemokraten wie Ursula von der Leyen als zeitweiliger Partner denkbar, wie sie jüngst sagte.
Das EU-Parlament: Abgeordnete nach Fraktionen
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Die ebenfalls rechtskonservative ungarische Regierungspartei Fidesz war ursprünglich Teil der EVP-Fraktion, ist aber 2021 ausgetreten. Damit war sie einen Rauswurf zuvorgekommen, der wegen der erheblichen Rechtsstaatsprobleme in Ungarn bereits eingeleitet war. Deren Abgeordneten gehören keiner Fraktion im EU-Parlament an, ein Schicksal, das auch den AfD-Abgeordneten nach der kommenden Wahl bevorstehen könnte. Die Unruhen um die Spitzenkandidaten der Partei, Maximilian Krah und Petr Bystron, dürften bei der Abstimmung auch noch ein paar Prozente kosten.
Quellen:SWP-Berlin, DPA, AFP, Reuters, Europaparlament, n-tv
