Im Ringen um den Bundeshaushalt ist jetzt klar: Mehr Geld wird es auch aus Steuereinnahmen nicht geben. Der Finanzminister fährt einen Sparkurs und betont: Das Geld fällt nicht vom Himmel.
Der Haushaltsstreit in der Bundesregierung droht sich angesichts von deutlich geringeren Steuereinnahmen als bisher erwartet zu verschärfen. Die Steuerschätzer gehen davon aus, dass allein der Bund für das kommende Jahr mit 11 Milliarden Euro weniger rechnen kann als noch im Herbst angenommen. Finanzminister Christian Lindner forderte das Kabinett zur Haushaltsdisziplin auf.
„Was ich angesichts der exorbitanten politischen Wünsche fast mantraartig wiederhole, liegt jetzt schwarz auf weiß vor“, sagte der FDP-Politiker in Berlin. Neue finanzielle Spielräume gebe es absehbar nicht. „Das Ergebnis der Steuerschätzung zerstört also die Illusion all derjenigen, die vielleicht vermutet haben, dass das Geld einfach so vom Himmel fällt“.
Deutlich geringere Steuereinnahmen
Die schwache Konjunktur in Deutschland hinterlässt Spuren: Die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Kommunen fallen in den kommenden Jahren deutlich geringer aus als im vergangenen Herbst erwartet. Die Bundesregierung hatte ihre Konjunkturprognose kräftig heruntergeschraubt. In diesem Jahr geht sie nur von einem Mini-Wachstum von 0,3 Prozent aus, für 2025 erwartet sie ein Plus von 1,0 Prozent.
Nach der neuen Steuereinschätzung nimmt der Staat – Bund, Länder und Kommunen – im kommenden Jahr 995,2 Milliarden Euro ein. Das sind 21,9 Milliarden Euro weniger als im Herbst angenommen. Auch in den weiteren Jahren des Schätzzeitraums bis 2028 sind deutliche Mindereinnahmen gegenüber der letzten Schätzung zu verzeichnen – insgesamt sind es 80,7 Milliarden Euro. Die Steuereinnahmen liegen laut Finanzministerium im Vergleich zur Erwartung aus dem Oktober 2023 durchschnittlich jährlich um rund 16 Milliarden Euro niedriger.
Die Prognose der Steuerschätzer ist eine wichtige Grundlage für die Beratungen zum Bundeshaushalt 2025. Ob gespart werden muss oder ob es Raum für zusätzliche Ausgaben gibt, hängt unter anderem von der Steuerschätzung ab. Der Arbeitskreis Steuerschätzung mit Experten unter anderem vom Bund, den Ländern und Kommunen kommt zweimal im Jahr zusammen, im Frühjahr und Herbst.
Lindner pocht auf Sparkurs
Der Finanzminister nannte die aktuelle Steuerschätzung einen „Realitätscheck“ für den Bundeshaushalt 2025. „Wir müssen uns von unrealistischen Wünschen verabschieden und die Konsolidierung des Haushalts vorantreiben. Dies erfordert Disziplin und Willenskraft.“ Seine Botschaft: Der Staat hat kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Deswegen müssten Ausgaben priorisiert werden.
Lindner sprach sich erneut für eine „Wirtschaftswende“ aus, um das Wachstum anzukurbeln „Nur mit einer starken wirtschaftlichen Entwicklung schaffen wir Wohlstand und stabile Staatsfinanzen.“ Bürokratie müsse abgebaut, steuerliche Wettbewerbsbedingungen verbessert werden – und Fleiß und Leistung mehr belohnt werden. Der Sozialstaat gebe, zu wenig Anreize, zu arbeiten.
Hartes Ringen um Bundeshaushalt
Die Verhandlungen zum Bundeshaushalt 2025 waren auch schon vor der neuen Steuerschätzung schwierig – wie auch Lindner deutlich machte. Sie dürften nun aber noch schwieriger werden.
Der Minister sprach von einer Lücke im niedrigen zweistelligen Milliardenbereich. Er hat Leitplanken eingezogen: Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse soll unbedingt eingehalten werden – bei SPD und Grünen sehen das viele anders. Lindner sagte, auch eine zusätzliche Unterstützung der Ukraine könne ohne eine Ausnahme der Schuldenbremse geleistet werden.
In dem Fall wären dann aber vermutlich größere Umschichtungen im Etat nötig. Die Schuldenbremse sieht vor, dass nur in einem begrenzten Rahmen neue Schulden gemacht werden dürfen. Allerdings steigen vor dem Hintergrund der schwachen Konjunktur hier die Spielräume.
Lindner zeigt sich hart
Mehrere Bundesministerien wollen sich nicht an Sparvorgaben von Lindner halten. Er akzeptiere einige Einreichungen nicht, sagte der Finanzminister. Harte Gespräche erwartet werden etwa über den Etat von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD).
Dazu gibt es weitere Risiken. Lindner verwies auf mögliche Milliarden-Mehrausgaben für die Förderung der erneuerbaren Energien. Am Ziel hält er fest, bis Anfang Juli im Kabinett eine Einigung über den Haushalt 2025 hinzubekommen. Dann folgen die Beratungen im Bundestag, die sich bis in weit in den Herbst ziehen dürften.
Marathon beim Haushalt
„Die Steuerschätzung wird das Aufstellungsverfahren zum Bundeshaushalt nicht erleichtern“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dennis Rohde. „Es liegt ein langer Weg vor uns, aber Haushaltspolitik ist ein Marathon und kein Sprint.“ Der FDP-Chefhaushälter Otto Fricke betonte, Deutschland müsse wieder ein attraktiver Investitionsstandort werden.
Wie genau das erreicht werden soll, darüber gibt es noch keine Einigung innerhalb der Bundesregierung. Forderungen etwa von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) über schuldenfinanzierte steuerliche Entlastungen lehnt die FDP ab.
Der Grünen-Chefhaushälter Sven-Christian Kindler warnte mit Blick auf die FDP vor einem „Sparhaushalt“ auf dem Rücken von langjährigen Beschäftigten, armen Menschen“ oder zulasten des Klimaschutzes.
Union fordert Kurswechsel
Der Unions-Chefhaushälter Christian Haase sagte: „Der Steuereinbruch ist ein deutliches Warnsignal.“ Die politische Tristesse müsse beendet werden. „Das Ampel-Experiment und die daraus resultierende Wirtschaftsschwäche wird mehr und mehr zum Wohlstandsrisiko für Deutschland.“ CDU-Chef Friedrich Merz mahnte zur Ausgabendisziplin: „Die Frage ist: Kommen wir denn in unseren Staat einmal mit dem aus, was an Steuern und Abgaben erhoben wurde?“
Besorgt zeigte sich der Deutsche Städtetag. „Die Städte werden unterm Strich weniger Geld für Investitionen zur Verfügung haben“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. „Zum einen steigen die Steuereinnahmen deutlich weniger als erwartet, zum anderen fressen steigende Kosten die zusätzlichen Einnahmen komplett auf.“
Klingbeil schließt Rentenkürzungen aus
Auch nach der deutlich nach unten korrigierten Steuerschätzung hat SPD-Chef Lars Klingbeil noch einmal bekräftigt, dass die von der FDP vorgeschlagenen Rentenkürzungen für seine Partei nicht in Frage kommen. „Wer weiterhin glaubt, wir können die notwendigen Investitionen in unsere Wirtschaft, in Arbeitsplätze oder die Bundeswehr schultern, indem wir jetzt Renten für die Bürgerinnen und Bürger kürzen, der sollte nochmal den Taschenrechner zur Hand nehmen“, sagte Klingbeil in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur.
„Das ist nicht nur politisch falsch, sondern auch mathematisch unmöglich.“ Klingbeil betonte, dass die Steuerschätzung noch einmal deutlich gemacht habe, wie groß die Herausforderungen für die Aufstellung des Bundeshaushalts seien. Alle müssten bereit sein, aufeinander zuzugehen, und die SPD sei das auch. Seine Partei wolle das Land aber wirtschaftlich stark machen und modernisieren, ohne dabei Renten zu kürzen oder bei der Sicherheit zu sparen. „Es geht darum, was für unser Land jetzt notwendig ist. Ich bin mir sicher, der Bundeskanzler wird das mit dem Wirtschafts- und Finanzminister entsprechend klären“, sagte Klingbeil.